Greenpeace

Frage 1:

In der internationalen Klimaschutzdiskussion ist man sich weitgehend in dem Ziel einig, dass zumindest in den Industrieländern, also auch Deutschland, bis 2050 eine Redukon der CO2-Emissionen um 80%-95% erreicht werden müsste. Stimmen Sie dieser Aussage zu? Falls nicht, wie sehen Sie die Lage?

Ja, die Emissionen müssen in allen Industrieländern massiv sinken. Bis zur Mitte des Jahrhunderts muss dafür ein Umstieg weg von fossilen Energieträgern hin zu 100 % Erneuerbaren Energien stattfinden. Insbesondere der Energiebereich, in Deutschland der Sektor mit den höchsten Emissionen, hat hier eine besondere Verantwortung. Hier ist das Ziel, bis 2050 zu Null-Emissionen zu kommen, allein schon weil sich manche Sektoren wie die Landwirtschaft und manche Industrieprozesse nur schwerlich vollständig dekarbonisieren lassen. Die Techniken sind vorhanden, es fehlt am politischen Willen.

 

Frage 2:

Für wie hoch schätzen Sie den Anteil ein, den ein überarbeiteter, also tatsächlich funktionierender

Europäischer Emissionshandel, zu dem Ziel beisteuern wird, dass in den EU-Ländern ab 2050 nahezu frei von CO2-Emissionen gewirtschaftet und gelebt, zumindest aber eine 80-90%ige Emissionsminderung erreicht wird?

Diese Frage lässt sich derzeit nicht beantworten, denn die weitere Ausgestaltung des Emissionshandels ist derzeit völlig offen. Klar ist aber: auch eine wirksame Reform des europäischen Emissionshandels wird nicht vor 2025 signifikante Effekte erzielen. Wie stark diese Effekte ab 2025 sind, ist derzeit nicht abschätzbar. Es braucht daher auf der nationalstaatlichen Ebene dringend flankierende Maßnahmen, um die notwendige Emissionsreduktion zügig zu erreichen. Dies können beispielsweise CO2-Mindestpreise, eine CO2-Steuer, ein gesetzlicher Kohleausstieg oder der derzeit diskutierte Klimaschutzbeitrag sein. Der rein marktwirtschaftliche Ansatz des Emissionshandels hat sich bislang nicht

bewährt.

 

Frage 3:

Was halten Sie von dem Vorschlag einer generellen Zahlungsverpflichtung (CO2-Steuer) für die Nutzung

von mit CO2-Emission verbundenen Energieträgern, Produkten oder Dienstleistungen, wobei Teilnehmer am Emissionshandel ihre dort zu leistenden Zahlungen mit der CO2-Steuer verrechnen könnten? (Vorausgesetzt sei dabei, dass eine solche Zahlungsverpflichtung sozial verträglich umgesetzt wird.)

Dies wäre ein möglicher Weg, um die derzeit ausbleibende Wirkung des Emissionshandels zu unterstützen und zu stärken. Daneben existieren eine Reihe weiterer Ansätze (siehe 2.). Klar ist: Die Emissionen müssen angesichts des fortschreitenden Klimawandels schnell und kontinuierlich sinken. Derzeit fehlt es weniger an geeigneten Modellen, sondern am politischen Willen.

 

Frage 4:

Falls Sie von einer CO2-Abgabe auch für jene (bisher) etwa 50 % der CO2-EmiDenten nichts halten, die nicht von den Regelungen des Europäischen Emissionshandels betroffen sind: Über welchen Weg wäre dann außerhalb des Emissionshandels Ihrer Ansicht nach eine Energienutzung zu 100 % aus erneuerbaren

Quellen bis 2050 erreichbar?

Deutschland braucht ein Kohleauss1egsgesetz – bis 2030 raus aus der Braunkohle, bis 2040 muss das letzte Kohle-kraftwerk abgeschaltet werden. Die Energiewende „Made in Germany“ kann so zu einem Vorbild für die Transforma1on des Energiesystems werden. Deutschland hat enorme Fortschritt beim Ausbau der Erneuerbaren Energien gemacht. Viele andere Länder sind diesem Beispiel gefolgt. Das deutsche EEG, ein weltweiter Exportschlager, hat sich dabei bewährt. Umso trauriger ist das ständige Sägen an diesem wichtigen Instrument. Wichtig ist aber auch, umweltschädliche Subventionen weltweit abzubauen.

 

Frage 5:

Wenn Sie bei den Verhandlungen zum neuen Weltklimavertrag in Paris Mandatsträger wären, für welche Verhandlungsziele würden Sie sich einsetzen?

Das Ziel muss sein, dass sich alle Länder darauf einigen, im Jahr 2050 100% erneuerbare Energien zu nutzen. Wir befinden uns bereits mitten im Klimawandel und dies ist das einzige Mittel, um die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celcius zu begrenzen. An dieser Obergrenze für den globalen Temperaturanstieg darf nicht gerüttelt werden. Das Gute: Erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie sind weltweit auf dem Vormarsch - und sie funk1onieren.

Zudem ist es wichtig, ein starkes Kontrollsystem zu verabschieden - dafür sollten alle 5 Jahre die gesteckten Ziele überprüft werden. Dann kann auch schnell nachjustiert werden. Darüber hinaus sollten alle Beschlüsse in Paris rechtlich verbindlich sein - das garantiert, dass wir alle von einem schnellen Ausbau der Erneuerbaren profitieren und dass

kein Land später ausschert.


Karsten Smid

Klima & Energiebereich

Greenpeace Deutschland

 

Die Antworten in einer PDF-Datei



Anmerkung von mir (Horst Emse) zum obigen Beitrag:


Ich finde es sehr erfreulich, dass auch Greenpeace für die Einführung einer generellen Abgabe auf nicht vermiedene CO2-Emissionen plädiert. Umso weniger begreife ich, dass man bei Greenpeace vom Thema „ Kompensation nicht vermiedener Emissionen“ nichts hält. Warum nicht schon jetzt – freiwillig, souverän, wegweisend – mit einer Zahlung jene CO2-Emissionen kompensieren, also klimaunschädlich machen, die man trotz Bemühens um Emissionsreduktion verursacht hat? Mehr Schaden anrichten kann man damit doch in keinem Fall, als wenn man die faktisch nicht vermiedene Emission einfach so hinnimmt. Das Gegenteil ist der Fall: man kann so den neuen Beitrag zur Verschärfung der Klimaproblematik ganz oder zumindest teilweise wieder tilgen.


Dabei würde es weniger um die physikalische Wirkung jeder einzelnen Kompensation gehen; die ist freilich – solange nicht ganz Viele so handeln – fast unmessbar gering. Es geht um das Signal und eigentlich auch um die Glaubwürdigkeit der genannten Forderung. Wem sollte man eine solche Forderung abnehmen, wenn sie zwar für dringend notwendig gehalten, ihr aber von dem Fordernden selbst erst entsprochen wird, wenn die Sache gesetzlich vorgeschrieben ist?


Ich denke, Greenpeace verschenkt mit seiner Haltung bei diesem Punkt sehr viel an Überzeugungspotenziel. Und das ist höchst bedauerlich!

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